Es ist jedes Jahr wieder ein berührender Moment, wenn der Blick vom Tal auf den Bergkamm schweift und oben die ersten Lichter aufflammen. Diese Freude, diese Leidenschaft, diese Begeisterung, mit welcher dort Feuer für Feuer entzündet wird. Es ist der 3. Sonntag nach Pfingsten und für alle, die das Südtiroler Brauchtum lieben und leben, ist es kein normaler Tag, es ist ein besonderer Feiertag, es ist der Herz Jesu Sonntag. An diesem Sonntagabend werden in ganz Südtirol traditionell Bergfeuer entzündet.
Nach der festlichen Herz-Jesu-Prozession am Morgen geht es los: der Rucksack gepackt, die Bergschuhe geschnürt, Aufbruchstimmung. Wichtig ist, dass man früh genug oben ist, um alles vorzubereiten, damit rechtzeitig zum Einbruch der Dunkelheit die Feuer entzündet und der Berggrat beleuchtet werden können. Jeder nimmt, was er tragen kann, und erklimmt in seinem Tempo den Gipfel. Dann wird Feuer gemacht. Der ganze Bergrücken und sein Grat sind schließlich beleuchtet. Es ist ergreifend, einfach schön. Später dann, wenn die Flammen langsam kleiner werden, sitzt man noch lange um das Lagerfeuer, singt und erzählt Geschichten… Und wenn der Letzte schließlich in seinen Schlafsack schlüpft, schauen hinter den Bergen schon die ersten Sonnenstrahlen hervor.
Das Entzünden von einem Feuer zur Sommersonnenwende hat eine alte Tradition. Bereits im Mittelalter entfachte man im Juni, wenn die Sonne ihren höchsten Stand erreicht, in Reinigungsritualen Feuer für Heilung und Fruchtbarkeit, zum Erbitten von Segen für Mensch, Tier und die Natur. In der Epoche nach dem 1. Weltkrieg bekam der Brauch der Bergfeuer zu Herz Jesu eine neue Bedeutung, es wurde als Zeichen der Südtiroler Kultur und des christlichen Glaubens seiner Bewohner zelebriert.
Und heute? Warum werden immer noch im gesamten Land die Bergfeuer entfacht? Es kann beschwerlich sein, keine Frage. Nicht immer ist das Wetter den „Fuirern“ ein guter Freund, manchmal blitzt und donnert es und wenn es nicht gerade sehr warm ist, können ganz oben am Kreuz auch mal ein paar zarte Schneeflocken fallen … Warum seid ihr trotzdem jedes Jahr wieder dabei, frage ich? Es ist dieses Gefühl des Miteinanders, sagen die einen, ein Ausdruck der Treue zur Heimat, zu den eigenen Wurzeln, zur Tradition, sagen die anderen. Es eint Alt und Jung und stärkt die Dorfgemeinschaft. Und es ist jedes Jahr a mortz Hetz – darüber sind sich alle einig.
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